Bündner Wohneigentum

Online-Magazin des Hauseigentümerverbands Graubünden

Ausgabe 127 | November 2024

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12 Jahre an der Spitze des HEV Graubünden

Nach zwölf Jahren an der Spitze des Hauseigentümerverbands Graubünden (HEV) wird Thomas Hess Ende 2024 von seinem Amt als Präsident zurücktreten. Das «Bündner Wohneigentum» (BüWohn) führt ein Interview mit dem scheidenden Präsidenten.

BüWohn: Wie blicken Sie auf Ihre 12-jährige Amtszeit zurück? Was waren die grössten Herausforderungen und Erfolge?

Thomas Hess: Die grösste und fortlaufende Herausforderung ist die Thematik Zweitwohnungen. Einerseits aufgrund der Zweitwohnungsinitiative, andererseits wegen der Wohnungsknappheit in Tourismusorten. In diesem Zusammenhang steht die Diskussion um eine Zweitwohnungssteuer, welche in Silvaplana im Jahr 2016 vom Bundesgericht als zulässig beurteilt wurde. Trotzdem wurde diese aufgrund einer Intervention der Lokalbevölkerung und mit grosser Unterstützung von unserer Sektion schliesslich nicht umgesetzt.
Neu entstand die Diskussion in Pontresina im Jahr 2023. Wir betrachten eine solche als völlig deplatziert, weil sie unsere treusten Gäste vergrault. Tatsache ist, dass der Staat immer Immobilien besteuern will, weil die Immobilien nicht wegziehen können.
Eine weitere Thematik ist die Energie und Sanierung von Liegenschaften. Hier konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Gewerbeverband und der Handelskammer ein ausgewogenes kantonales Energiegesetz erreichen. Weitere Themen waren die ausufernde Inventarisierung auch nur möglich schützenswerter Gebäude durch die Denkmalpflege, das Bestreben um eine obligatorische Erdbebenversicherung. Schliesslich ist die Raumplanung ein zunehmendes Problem. Wir alle wissen, die Wohnungsknappheit entsteht wegen der Zweitwohnungsinitiative und damit der Umnutzung altrechtlicher Wohnungen zu Zweitwohnungen und dem starren Raumplanungsgesetz, das zu Auszonungen führt.

BüWohn: Wie haben die Abstimmungen zur Zweitwohnungsinitiative und zum Raumplanungsgesetz die Position und Strategie des Hauseigentümerverbands beeinflusst?

Thomas Hess: Diese haben unsere Strategie dahingehend beeinflusst, dass wir integrativ und koordinativ mit den Behörden zusammenarbeiten und gegen Sondersteuern sind.  Jede gesetzliche Regelung bringt Einsprache- und Gerichtsverfahren mit sich und ist volkswirtschaftlich schädlich. Wir sind deshalb strategisch strikte gegen neue Vorschriften, denn aufgrund des Sektordenkens sind Vorschriften in verschiedensten Bereichen widersprüchlich. Die Verwaltung ist zur Anwendung der Gesetze verpflichtet. Zu viele Vorschriften schalten den gesunden Menschenverstand und pragmatische, sachgerechte Lösungen aus.

BüWohn: Der Eigentumsbegriff geriet zunehmend unter Druck. Wie hat der Verband darauf reagiert und welche Massnahmen wurden ergriffen, um die Rechte der Hauseigentümer zu schützen?

Thomas Hess: Wir beteiligen uns an sämtlichen Vernehmlassungen, unser Verband ist nicht nur Dienstleister dem Mitglied gegenüber, sondern eine politische Kraft. Kein anderer Verband hat so viele Mitglieder wie wir! Diese Stärke müssen wir nutzen, denn leider ist festzustellen, dass manche auch bürgerliche Parteien zu staatsgläubig sind und zu stark neue Regulierungen, sprich Gesetze, wollen.

BüWohn: Sie haben erwähnt, dass die Staatsgläubigkeit steigt und Hauseigentümer zunehmend als "Milchkühe" betrachtet werden. Wie haben Sie und der Verband darauf reagiert und welche Strategien wurden entwickelt, um dem entgegenzuwirken?

Thomas Hess: Wir werden nicht müde, unsere Position pointiert zu vertreten. Insbesondere unser Geschäftsführer Reto Nick äussert sich öffentlich und kämpft für eine liberale Seite. Leider sehen wir uns zu häufig in der Neinsager Rolle, obwohl wir kritisch-konstruktiv sind.

BüWohn: Was sind die grössten Hürden bei der Abschaffung des Eigenmietwertes und wie kann der Verband weiterhin effektiv für diese Abschaffung kämpfen?

Thomas Hess: Die grösste Hürde bei der Abschaffung des Eigenmietwerts ist der Einnahmeverlust für den Staat. Politisch ist es nicht umsetzbar, auf diese Einnahmen zu verzichten. Der Nationalrat schlug vor, die Eigenmietwertbesteuerung generell abzuschaffen, was ich befürworte. Zusätzlich schlug er eine Objektsteuer vor, um Einnahmeausfälle in Tourismusregionen zu kompensieren, was ich ablehne. Diese Steuer ist ungerecht, da Zweitwohnungsbesitzer nicht anders besteuert werden sollten als Erstwohnungsbesitzer. Kosten für Wasser, Abwasser und Tourismusabgaben werden bereits gedeckt. Die einzige politisch umsetzbare Lösung aber ist die Abschaffung des Eigenmietwerts für selbst bewohnte Erstwohnungen ohne Einführung einer Objektsteuer. Die Besteuerung von Zweitwohnungen sollte bestehen bleiben, um die Einnahmenausfälle nicht über den Finanzausgleich zwischen den Kantonen decken zu müssen.

BüWohn: Hauseigentümer haben wesentlich zur Dekarbonisierung beigetragen. Können Sie konkrete Beispiele für freiwillige Massnahmen nennen, die von Hauseigentümern ergriffen wurden, um zur Reduktion von CO₂ beizutragen?

Thomas Hess: Auch hier ein Beispiel der Staatsgläubigkeit. Vor einigen Jahren hatten wir an der Delegiertenversammlung einen Regierungsrat einer bürgerlichen Partei zu Gast, welcher die Auffassung vertrat, mit dem neuen Energiegesetz müsste man die Eigentümer zur Sanierung zwingen. Das Leben hat bewiesen, dass unsere Hauseigentümer ihre Liegenschaften auch ohne Zwang gut unterhalten. Wir Schweizer sind Musterknaben im Unterhalt unserer Liegenschaften. So haben wir einen der besten Gebäudeparks der Welt. Wir haben bei jeder Sektion unsere Energieberater, was gut genutzt wird. Unsere Mitglieder haben ihre Häuser saniert, sei es mit Isolation, Fenstern und Umstellung zu Wärmepumpen. Dabei waren die Fördergelder eine willkommene Unterstützung, jedoch nie entscheidend, ob die Investition gemacht wird.

BüWohn: Welche zukünftigen Herausforderungen und Chancen sehen Sie für den Hauseigentümerverband? Welche Ratschläge würden Sie Ihrem Nachfolger geben?

Thomas Hess: Mein Nachfolger Urs Marti braucht keine Ratschläge von mir, er ist kompetent und hervorragend vernetzt.  Man kann sicher den Kontakt mit den verschiedenen Amtsstellen verbessern, und wesentlich ist, dass wir vermehrt junge Mitglieder gewinnen. Unser Verband ist überaltert, die junge Generation möchte sich nicht so binden. Unsere Kampagnen hatten zum Zweck, Junge zu gewinnen, dies muss aber noch ausgebaut werden.

BüWohn: Welche persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse nehmen Sie aus Ihrer Zeit als Präsident mit? Gibt es besondere Momente oder Ereignisse, die Ihnen in Erinnerung bleiben werden?

Thomas Hess: Ich schätzte immer sehr den offenen Diskurs, die tolle Gesprächskultur einerseits im Vorstand, andererseits mit unseren Partnern und Amtsstellen. An den Delegiertenversammlungen oder auch bei den Besuchen in den Sektionen durfte ich immer bereichernde, wohlwollende Kontakte erfahren.

BüWohn: Wie hat sich das Engagement der Mitglieder im Laufe Ihrer Amtszeit entwickelt und was könnte getan werden, um dieses Engagement weiter zu fördern?

Thomas Hess: Das hängt immer sehr stark von der einzelnen Sektion und deren Führung ab. Generell sind die lokalen Generalversammlungen gut besucht. Mit den Herbstveranstaltungen, die alle Sektionen durchführen, konnte die Mitgliederbindung verstärkt werden. Es sind willkommene Anlässe, die helfen, dass die Mitgliederzahl nun bei 11'200 liegt. Wie erwähnt, haben wir noch Potenzial, vor allem bei Jungeigentümern.

BüWohn: Wie haben sich die Beziehungen und die Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern und mit den Medien während Ihrer Amtszeit entwickelt? Gibt es Bereiche, in denen Sie Verbesserungen sehen?

Thomas Hess: Die Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern funktioniert meist sehr gut. Mit Unterstützung des Grossen Rats konnten wir im Hinblick auf die Inventarisierung schutzwürdiger Objekte eine vernünftige Lösung für die Hauseigentümer erzielen. Die Zusammenarbeit mit dem Gewerbeverband, der Handelskammer habe ich schon erwähnt, zu erwähnen ist noch der SVIT. Anders sieht es im Bereich der Medien aus. Unser Geschäftsführer ist immer am Ball, aber die Berichterstattung lässt zu wünschen übrig. Häufig werden Medienmitteilungen nicht gedruckt, sodass man auf Leserbriefe ausweichen muss. In der Presse werden immer die Mieter als Opfer dargestellt, so zum Beispiel bei Zinserhöhungen. Völlig ausgeblendet wird, dass die Eigentümer auch höhere Zinsen zahlen müssen, und zwar bevor der geglättete Referenzzinssatz ansteigt. Unsere Gespräche mit der Chefredaktion der Südostschweiz haben für kurze Zeit eine Verbesserung gebracht, aber eben nur für kurze Zeit.

BüWohn: Was haben wir Sie nicht gefragt?

Thomas Hess: Wem ich danken möchte. Nämlich unserem langjährigen Geschäftsführer Reto Nick mit seiner Frau Regula für deren engagierten Einsatz und dem Vorstand für die tolle Zusammenarbeit. Zum Schluss: Wir dürfen ja nicht meinen, das Heil in Vorschriften zu finden, sondern müssen den Mut zur Lücke haben und sachgerechte Lösungen treffen. Unser Staatswesen entwickelt sich immer mehr in Richtung unseres europäischen Umfeldes, welches aufgrund der Regelungsdichte träge und unflexibel wird.

BüWohn: Wir danken Ihnen für das Interview.

Redaktion Bündner Wohneigentum

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