Bündner Wohneigentum

Online-Magazin des Hauseigentümerverbands Graubünden

Ausgabe 127 | November 2024

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Nicht bewilligte Umbauten im Maiensäss

Ich habe vor einigen Jahren ein Maiensäss gekauft. Dieses ist ausgebaut und verfügt über Wasser und Solarstrom. Nun wollte ich die Hütte um 30 Prozent nach aussen erweitern. Dabei wurde festgestellt, dass verschiedene Umbauten gar nie bewilligt wurden. Habe ich etwas zu befürchten?

Ihre Frage betrifft einen Sachverhalt, mit dem Eigentümer von Bauten ausserhalb der Bauzone immer wieder konfrontiert sind. Sie haben aber mehrere Möglichkeiten, die es gegeneinander abzuwägen gilt. Einerseits ist zu prüfen, ob Sie gegen die ehemaligen Eigentümer privatrechtlich vorgehen wollen. Sie haben die Liegenschaft mit einem Kaufvertrag erworben. Aus diesem können Sie Mängelrechte geltend machen, indem Sie sich auf die Sachmängelgewährleistung nach Art. 197 ff. OR berufen. Diese wird zwar in der Regel ausgeschlossen, gilt aber nicht, wenn der Mangel etwa arglistig verschwiegen wurde. Sie haben dann die Möglichkeit, eine Reduktion des Kaufpreises zu verlangen oder die Wandelung, indem der Kaufvertrag zurückabgewickelt wird. Eine Alternative dazu besteht darin, den Kaufvertrag wegen Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) anzufechten. Sie müssen dann beweisen können, dass die vorausgesetzte Eigenschaft für Sie absolut zentral war. In diesem Fall wird das Maiensäss zurückübertragen und Sie erhalten den Kaufpreis zurück.

Öffentlichrechtlich war es bisher so, dass die Wiederherstellung von materiell rechtswidrig erstellten Bauten und Anlagen, von Ausnahmen abgesehen, in der Regel nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr angeordnet werden durfte. Die Frist begann dabei jeweils ab Fertigstellung der rechtswidrigen Baute beziehungsweise Teile davon. Diese Verwirkungsfrist von 30 Jahren wurde vor allem mit Rechtssicherheits- und praktischen Überlegungen begründet. Das Bundesgericht hat jedoch in einem kürzlich ergangenen Entscheid festgestellt, dass die 30-jährige Verwirkungsfrist für Bauten ausserhalb der Bauzone nicht mehr gilt (BGer 1C_469/2019 vom 28. April 2021) – für die Rechtssicherheit ein Entscheid mit fatalen Folgen! Zur Begründung führte es aus, dass die Gründe, welche zur Festlegung einer 30-jährigen Verwirkungsfrist innerhalb der Bauzone geführt haben, ausserhalb der Bauzone nicht gleichermassen zutreffen und mass dem Prinzip der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet grosse Bedeutung zu.

Neu muss man also noch mehr darauf achten, dass bei einem Kauf das Objekt den Bewilligungen entspricht. Ist dies nicht der Fall, muss man prüfen, ob tatsächlich ein vorschriftswidriger Zustand besteht. Ist dies der Fall, kann die Gemeinde den Rückbau anordnen – und zwar unabhängig davon, seit wann der rechtswidrige Zustand besteht. Immerhin kann die Gemeinde – und ausschliesslich sie ist dafür zuständig – eine sog. Duldungsverfügung erlassen (Art. 94 Abs. 4 KRG). Damit wird der geltende Zustand akzeptiert. Dies drängt sich dann auf, wenn es die Verhältnismässigkeit oder der Vertrauensschutz gebieten.

Dr. iur. Reto Crameri

Rechtsanwalt und Notar. Er arbeitet in Surava und Chur und betreut auch die Rechtsauskunftsstelle HEV Mittelbünden

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